Erinnerungen an die Exposition of Music

Erinnerungen an die Exposition of Music

Erstmals veröffentlicht in: Nam June Paik – Exposition of Music Electronic Television, Revisited, Susanne Neuburger (Hg./eds.), Wien: mumok, 2009, S. 89–96. / pp. 97–104.), mit Genehmigung des mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien. Jede Art der weiteren Vervielfältigung und Aufbereitung des Textes bedarf der vorherigen Zustimmung des mumok.

Manfred Montwé im Gespräch mit Susanne Neuburger

Stählisbronn, 20. November 2008

Manfred Montwé, 1940 geboren, studierte von 1958 bis 1963 Grafik und Fotografie an der Werkkunstschule Wuppertal, unter anderen bei Wolf Vostell. Er beteiligte sich an Happening- sowie Fluxus-Veranstaltungen und fotografierte von 1963 bis 1967 für die von Vostell herausgegebene Zeitschrift Décollage. Montwé arbeitete als Artdirector für internationale Werbeagenturen, später selbstständig als Grafikdesigner. Er lebt in Oberschwaben.

Susanne Neuburger: Die Exposition of Music. Electronic Television hatte, wie auf dem Plakat zu lesen, vier Mitarbeiter: Tomas Schmit, Frank Trowbridge, Günther Schmitz und M. Zenzen. Offensichtlich jedoch war es im Zuge der Vorbereitungen zu Änderungen gekommen. Auf einem Ihrer Fotos sieht man auch die entsprechenden Ergänzungen am Plakat. Wie war das wirklich?

Manfred Montwé: Der Aufbau dauerte zwei Wochen, und das Plakat ist entsprechend vorher gedruckt worden. Aufgebaut haben Tomas Schmit, Peter Brötzmann und ich. Das Plakat mit den handschriftlich hinzugefügten Namen von Brötzmann und mir als „artistic collaborators“ erschien dann auch in dieser Version 1980 im Katalog Treffpunkt Parnass. Ich vermute, dass das von Paik ausging; Paik hat sich in verschiedenen Briefen an Jährling und uns sehr positiv über diese Zusammenarbeit geäußert und diese Plakatfassung auch in späteren Publikationen zur Exposition of Music. Electronic Television verwendet.
Rolf Jährling hatte mir bei einem Treffen im September 1962 nach meiner Rückkehr aus Italien von dem Fluxus-Konzert während des Sommerfestes im Juni unter Beteiligung von Maciunas, Benjamin Patterson und anderen begeistert berichtet. Und von seiner Begegnung mit Paik und seiner Absicht, eine Ausstellung Anfang ’63 auszurichten, in der Paik Räume im ganzen Haus Parnass einbeziehen könnte. Die Ausstellung musste dann um einige Wochen verschoben werden, weil Rolf und Anneliese Jährling, Gudrun Edel und ich bei einem Autounfall verletzt wurden. Vermutlich wegen der Verlegung des Termins konnten die möglicherweise von Vostell empfohlenen Mitarbeiter Trowbridge, Günther Schmitz und Zenzen nicht teilnehmen.
Jährling kannte ich seit einigen Jahren, hatte Architektur für ihn fotografiert und war gelegentlich zu Gast im Hause. Jährling fragte dann Anfang 1963, ob ich beim Einrichten der Ausstellung mitarbeiten könnte. Es sollten in zwei Wochen Vorbereitung Klaviere, Tonbandgeräte und Radios nach Paiks Vorgaben präpariert, montiert und viele andere Sachen gebaut und installiert werden.
Als weiteren Mitarbeiter empfahl ich Peter Brötzmann, einen Studienfreund, der später Jazzmusiker wurde. So war ich fast täglich dort, habe mich mit anderen um organisatorische Dinge, Beschaffung von Materialien und die Bereitstellung der Klaviere gekümmert. Weiter habe ich bei den umfangreichen Aufbauarbeiten und der Montage der Klaviere mitgemacht. Deshalb hatte ich auch ein großes Interesse an Ihrem Klavier in Wien …

Susanne Neuburger: Unser Klavier ist ja nur eines der vier Klaviere; zwei befinden sich in der Sammlung Block, und eines wurde von Beuys zerstört, das aber nicht präpariert war …

Manfred Montwé: Es gab drei Klaviere, die Jährling bei Ibach in Wuppertal-Barmen für wenig Geld gekauft hatte. Diese Klaviere konnten in jedem Fall so behandelt und ausgestattet werden, wie Paik es sich vorstellte. Paik wollte aber vier Klaviere. Jährling hat dann nochmals mit Ibach verhandelt und erreicht, dass ein weiteres Klavier leihweise zur Verfügung gestellt wurde. Es handelte sich um ein historisches Klavier, ein Ausstellungsstück. Paik hat dann gesagt, wenn wir das nicht benutzen dürfen, dann legen wir es in den Eingang. Die Besucher, die durch die Eingangstüre in den Ausstellungsraum kamen, mussten links und rechts an dem Piano vorbeisteigen. Deshalb war das für Beuys auch ganz einfach. Wie gesagt, das Klavier war völlig intakt – ein Ausstellungsstück. Ich weiß auch, dass Jährling nachher mit Ibach verhandelt hat. Er hat nicht näher darüber gesprochen, ging aber hin, um den Schaden auszugleichen. Das hat er ganz diskret getan.

Susanne Neuburger: Da sind wir ja schon bei dem spektakulären Einsatz von Beuys, der fotografisch festgehalten ist …

Manfred Montwé: Tatsächlich hat die eigentliche Beuys-Aktion niemand fotografiert, weil das so spontan und so plötzlich kam, dass niemand so schnell reagieren konnte. Außerdem gab es da einen großen Tumult, und der Saal war brechend voll. Beuys hat im Anschluss an seine Aktion mit einem Klöppel und Holzstücken auf das Klavier geschlagen – als Demonstration. Fotografen hatten darum gebeten, die Aktion zu wiederholen, so hat er es noch einmal demonstriert und nachgestellt.
Beuys kam etwa eine Stunde nach Beginn der Vernissage, daran erinnere ich mich, weil er eine Art Vorschlaghammer bei sich hatte, das fiel mir sofort auf. Ich kannte Joseph Beuys da noch nicht. Ich habe am Eröffnungsabend wie Peter Brötzmann und Tomas Schmit die Ausstellungsräume und Objekte betreut, weil ja jeder alles benutzen durfte, und da musste zwischendurch auch repariert werden, sodass die Geräte alle bespielbar blieben. Wir schauten, dass das einigermaßen reibungslos abging.
Beuys hielt einen großen Hammer in der Hand, eine Spaltaxt, auf der einen Seite scharf und auf der anderen stumpf. Er kam in die Halle, stand direkt vor dem liegenden Klavier, hat die Axt geschwungen und richtig zugeschlagen. Mit unglaublichem Einsatz und Intensität, wie ich es auch beim 24-Stunden-Happening 1965 von ihm gesehen habe. Mit voller Wucht! Das war wie eine Explosion, und der ganze Raum war plötzlich still. Völlig still. Das ging ganz schnell, in wenigen Minuten war alles vorbei.
Während der Aktion kam Anneliese Jährling zu mir und sagte: „Wir müssen etwas tun.“ Dann habe ich einen Eimer mit Wasser, den jemand brachte, von der Galerie im ersten Stock auf Beuys ausgeleert. Das war dann auch schon der Endpunkt. Da war sozusagen der Bann gebrochen. Beuys hat das nicht wirklich irritiert, er hat das mit einbezogen.
Ich hatte im Übrigen den Eindruck, dass Rolf Jährling zu diesem Zeitpunkt Joseph Beuys nicht gut kannte, auch Paik kannte ihn wohl erst kurz. Mein Gedanke zu Beginn der Aktion war: „Warum hat Paik das vorher nicht angekündigt?“ Offensichtlich war das eine spontane Aktion von Beuys. Das Klavier wurde total zerstört. Es blieb dann einfach so liegen. Mein Foto vom Raum mit dem zerstörten und den anderen Klavieren wurde nachher gemacht, einen Tag später. Die Fotografien, auf denen Beuys mit Holzstücken das Piano traktiert, können nicht die eigentliche Aktion zeigen, denn damit kann man diese tiefen Kerben nicht in das Holz schlagen, die auf den Fotos deutlich zu sehen sind. Beuys hat auf Wunsch von Fotografen die Szene nachgestellt.
Als ich später die Erinnerungen von Tomas Schmit zur Exposition of Music. Electronic Television bei der Paik-Ausstellung im Kölnischer Kunstverein gelesen habe, habe ich mich doch sehr gewundert, dass er das so beiläufig beschreibt. Ich erinnere mich daran, dass Beuys sich bei einem späteren Besuch der Ausstellung ganz intensiv mit den Klavieren beschäftigt hat.

Susanne Neuburger: Wie muss man sich die Klaviere vorstellen?

Manfred Montwé: Das Unerwartete war, dass die Klaviere hier vom traditionellen Gebrauch zu ganz umfassenden Klangobjekten erweitert wurden. Und über Klänge und Geräusche hinaus wurde die Wahrnehmung mit Lichteffekten, Tastobjekten, Stacheldraht, Sirenen, Heißlüfter, Ventilator, Tonbandgerät und vielem mehr erweitert. Der Besucher konnte alle diese Geräte, die über elektrische Kontakte an die Tastatur angeschlossen waren, bespielen. Eine Taste schaltete die Raumbeleuchtung aus, eine andere an, eine weitere Taste immer wieder zufällig die Sirene, den Ventilator und so fort. Der Benutzer konnte immer Neues und Überraschendes entdecken. Das war ein Trubel! Deshalb war ich dann von Ihrem Klavier im Museum so enttäuscht! Es fehlte diese lebendige Dimension, die die Klaviere in der Ausstellung beim Ertasten und Entdecken hatten!
Als Sie vorhin sagten, dass man das Klavier eventuell wieder bespielen könnte, empfand ich das als einen ungeheuer reizvollen Gedanken. Ja, nur so kann man sich vielleicht vorstellen, wie es in der Ausstellung war.
Die Klaviere waren etwas ganz Besonderes, Eigenständiges. Da steckte so viel drin von Paiks Wesen und seinem Vorgehen bei der Arbeit und Entwicklung. Man hätte das ja technisch – sagen wir mal – sehr viel professioneller machen können, aber Paik kam es darauf an, das eben nicht so zu tun. Ihm war wichtig, dass ganz simpel und einfach gebaut wurde. Das ist auch eine Eigenschaft bei ihm gewesen, die ich immer wieder gesehen habe. Zum Beispiel beim Roboter, den er 1965 in der Galerie Parnass zeigte.
Ich erinnere mich, wie er während der Aufbauphase in den viel zu großen Pantoffeln herumgelaufen ist. Dabei hatte er manchmal einen Schal um den Bauch gebunden, lief durch den Raum, aß ein Brot und dirigiert die Arbeiten auf seine sehr feine, höfliche Art und Weise. Er hat dann – oft auf Umwegen – genau das hinbekommen, was er sich vorgestellt hatte oder erzielen wollte. Dabei war er dann völlig kompromisslos.
Die Pianos hat er ja nicht alleine gemacht. Paik hatte das ganze Material, daran geschraubt und gebaut haben auch Peter Brötzmann und Tomas Schmit und ich.
Nach dem Ende der Ausstellung hat Paik mit uns die Klaviere abgebaut und viele dieser Objekte, die am Klavier stehen, liegen und hängen, verschenkt.
Die drei Pianos standen dann lange im Hof der Galerie, Witterung und Regen ausgesetzt, und niemand wollte sie haben. Ich selbst habe damals nach einer Unterbringungsmöglichkeit gesucht – Klaviere sind leider sehr sperrig. Die Situation sieht heute natürlich ganz anders aus, als sie damals war. Nam June Paik war den meisten Kunstinteressierten gänzlich unbekannt, ebenso Joseph Beuys.

Susanne Neuburger: Vielleicht noch zu den Fernsehern und den Bildschirmfotos, die Sie und Peter Brötzmann gemacht haben …

Manfred Montwé: Paik saß oft stundenlang an den TV-Geräten, einige hatte er bereits bearbeitet mitgebracht, andere entwickelte er im Fernsehraum weiter, bis dann ein Zustand erreicht war, den er zeigen wollte. An den Fernsehgeräten arbeitete er nur selbst, da hat er niemand anderen rangelassen. Ich habe oft zugeschaut und war fasziniert von den Bildern, die entstanden. Das war ein steter Wechsel von Eindrücken, das TV-Programm wurde manipuliert, es entstanden schnell wechselnde, nie gesehene Bilder, abstrakte Strukturen und Kombinationen von Abläufen. Paik hat vieles versucht und auch verworfen.
Das Abfotografieren vom Röhrenbildschirm war damals schon eine technische Herausforderung. Ich experimentierte mit verschiedenen Belichtungszeiten und Blenden. Der passende Moment musste erfasst werden, die Bilder wechselten ständig, oft war der erreichte Zustand der Bearbeitung auch nicht stabil, oder Paik versuchte etwas anderes, dann ging stundenlang gar nichts mehr. Erst nach der Entwicklung der Negative war dann eine Beurteilung möglich. Peter Brötzmann und ich fotografierten bei verschiedenen Sitzungen, die Negative wurden von mir entwickelt. Von den Ergebnissen war leider wenig brauchbar. Dennoch kann man bei den wenigen Fotografien eine Vorstellung von den manipulierten Fernsehgeräten bekommen.

Susanne Neuburger: So haben wir auch die Urmusik auf einem Ihrer Bilder entdecken können …

Manfred Montwé: Ja, man erkennt die Kiste. Während der Ausstellung befand sie sich in der ersten Etage. Meine Fotografien entstanden in der Aufbauphase und während der Ausstellung. Bei der Eröffnung fotografierte ich nicht. 2004 habe ich die Negative digitalisiert, und so sind auch Aufnahmen, die unterbelichtet waren, jetzt zugänglich – wie beispielsweise Paik bei der Arbeit mit den TV-Geräten.
Wenn der Besucher die Treppe von der Eingangshalle mit den Klavieren hochging, gelangte er auf eine umlaufende Galerie, von der aus man das Geschehen in der Eingangshalle überblicken konnte. In der ersten Etage links befanden sich das Bücherzimmer mit den Spiegelfolien und das Bad mit der Puppe. Auf der Galerie war auch diese Kiste, die Urmusik, die stand direkt an der Treppe links, ich erinnere mich daran, weil ich mich sehr darüber gewundert habe – diese Kiste war so völlig anders als das, was der Paik sonst gemacht hatte.

Susanne Neuburger: Der Raum mit den Spiegeln hieß To Be Naked and Look at Yourself …

Manfred Montwé: Paik wollte, dass man sich nackt zwischen die Spiegelfolien stellt und dass der Raum geschlossen wird. Das wurde natürlich so nicht wahrgenommen. In einem meditativen Moment nahm ich dort Porträts von Paik, Tomas Schmit und einigen Besuchern auf.

Susanne Neuburger: Paik hat sich für einige Fotos inszeniert, mit dem Schallplattenspieler zum Beispiel …

Manfred Montwé: Ja, er hat sich inszeniert. Ich war sehr daran interessiert, das Besondere in Paiks Arbeit fotografisch zu dokumentieren. Während der Ausbauphase und danach habe ich zum Beispiel immer wieder Fotos von den Klavieren gemacht – so sind verschiedene Entwicklungsschritte zu sehen. Es entstanden dann auch Porträts wie Zen for Head, Demonstrationen an Random Access und Schallplatten-Schaschlik oder Zen for Walking, wo Paik eine Geige, einen Löffel oder eine Rolle beziehungsweise Achse von einem Kinderspielzeug hinter sich herzieht. Die sind dann inszeniert. Demonstrationen wie Random Access und Schallplatten-Schaschlik wurden von mir mit Schmit und Brötzmann inszeniert.
Bei einer Gelegenheit nahm Paik mich zur Seite und erklärte, er möchte einige Fotos haben zu einem besonderen Thema; wir verabredeten uns früh am nächsten Morgen, er wollte auf keinen Fall Zuschauer dabeihaben. So entstanden die Grammofon-Aufnahmen. Ich machte eine Serie mit unterschiedlichen Ausschnitten, Listening to Music Through the Mouth. Als Paik dann die Kontakte durchsah, wies er mich an, die Aufnahmen für später zurückzustellen. Fotoabzüge schickte ich Paik nach New York, ebenso bekam Jährling eine Serie. Die Negative kamen in mein Fotoarchiv und blieben dort, bis Wulf Herzogenrath 1976 die Fotografien in der Paik-Ausstellung im Kölnischer Kunstverein zeigte.

Susanne Neuburger: Vielleicht noch eine Frage zu dem Ballon – der ist ja leider auf keinem Foto zu sehen …

Manfred Montwé: Den Ballon haben wir mit einer Pumpe aufgeblasen. Der ist schnell geplatzt. Das war ein Wetterballon, der den Eingangsbereich fast ganz ausfüllte. Die Besucher kamen kaum hinein, weil der Ballon den Eingang in die Ausstellungshalle bis in die Ecken verstellte. Es war wirklich so, dass die ersten Besucher am Ballon vorbei in die Galerie kriechen mussten. Wir waren wirklich sehr enttäuscht, dass ein Besucher ihn platzen ließ. In der ersten halben Stunde ist das passiert. Die Leute standen draußen in einer Schlange bis an die Straße. Es waren nicht nur typische Galeriebesucher, sondern ein ganz gemischtes Publikum, auch Studenten. Es war eine großartige Stimmung! Das mit dem Kuhkopf mag manchen im Hinterkopf gewesen sein.

Susanne Neuburger: Der Rinderkopf war ja auch schon weg …

Manfred Montwé: Ich kann mich nicht daran erinnern, dass der Rinderkopf am Abend überhaupt noch dort hing. Der Kopf wurde mittags angeliefert und an der Eingangstüre befestigt, davon gibt es ja auch Fotos. Kurz danach gab es mit dem Ordnungsamt irgendwelche Probleme. Ich bin daher fast sicher, dass der Kopf zu Beginn der Vernissage schon abgehängt war.

Susanne Neuburger: Wissen Sie übrigens, wo die Küche war? Das ist ein Raum, den ich nicht zuordnen kann. Im Keller?

Manfred Montwé: Im Keller gab es eine Waschküche, die mit in die Ausstellung einbezogen war. Man traf sich aber in der Küche in der ersten Etage, einer Wohnküche mit Tisch und Stühlen, der Kühlschrank wurde täglich neu gefüllt. Da trafen sich abends die wenigen Besucher zu Gesprächen. Die Ausstellung war ja nur einige Tage in der Woche in den Abendstunden geöffnet. Dort lernte ich unter anderen Beuys, Maciunas und Køpcke kennen. Dort habe ich mich bei Beuys für den Wasserguss entschuldigt. 1964 besuchte ich Beuys in der Akademie und besprach Fotografien zur Fluxus-Veranstaltung in der TH Aachen mit ihm. Dabei bot Beuys mir an, seine Aktionen als Fotograf zu dokumentieren. Ich hatte da aber schon einen Vertrag mit einer Werbeagentur.
Bei einem der Gespräche in der Küche war auch der Buchhändler und Galerist Willem de Ridder anwesend, der ein präpariertes Klavier in Amsterdam ausstellen wollte und dann auch die Fluxus-Veranstaltung im Hypokriterion-Theater organisierte. Paik besprach einen Entwurf mit Tomas Schmit, Peter Brötzmann und mir für ein Klavier, das weitgehend stumm, dafür aber mit Filmprojektoren bestückt sein sollte. Paik gab mir eine 8-mm-Filmkamera, mit der ich Szenen in verschiedenen Techniken drehte, zum Teil handkoloriert, die als Endlosschleifen, über das Klavier gesteuert, gezeigt werden sollten. Von Paik kam ein Erotikfilm dazu. Das Piano sollte mit Beton ausgegossen werden. Dieses Piano wurde von uns im Juni 1963 in der Galerie Amstel 47, Amsterdam, teilweise realisiert. Paik befand sich zu der Zeit in Japan und reiste dann in die USA.

Susanne Neuburger: Sie sagten noch etwas zu Random Access. Welche Musik war da auf den Bändern?

Manfred Montwé: Bei den Ausstellungsvorbereitungen haben wir auch die Tonbänder an die Wand im Kellergang angeklebt. Sie wurden in unterschiedliche Längen eher willkürlich zerschnitten. Besucher konnten mit dem isolierten Tonkopf über die Bändern fahren und richtig kleine Melodien hören, allerdings ziemlich verzerrt, je nach Geschwindigkeit und Laufrichtung. Weil jeder Benutzer den Tonkopf frei bewegen konnte, ergab sich dann eine Klangstruktur, die mich sehr an elektronische Musik erinnerte, wie ich sie im Studio für Neue Musik beim WDR in Köln kennen gelernt hatte.
Welche Musik auf den Bändern war, kann ich nicht mehr sagen, jedenfalls waren es normale, schmale Tonbänder, also keine Studioaufzeichnung. Paik hatte einen Koffer mit Tonbändern mitgebracht.

Susanne Neuburger: Und die Bilder, die hingen, hat Paik ja alle verkehrt aufgehängt …

Manfred Montwé: Ja, das hat Paik als Erstes gemacht. Rolf Jährling sagte ihm, wir können alles machen, so wie du das willst, wir können die Bilder auch abhängen. Paik bestand darauf, alles so zu lassen, wie er es vorgefunden hatte. Dann hat er die Bilder umgedreht, aber nicht alle. Da waren die Schieferreliefs von Raoul Ubac. Jährling liebte sie sehr, er benutzte eines davon als Logo für die Galerie. Paik hat sie einfach hängen lassen. Das ist meiner Meinung nach ein wichtiger Aspekt. Paik hat das so lassen wollen, er hat die Atmosphäre, die er dort vorfand, nicht verändert. Außerdem waren auch einige der umgedrehten Bilder von der Rückseite interessant.

Susanne Neuburger: Wurde die Ausstellung dezidiert als Fluxus wahrgenommen?

Manfred Montwé: Nein, für mich nicht, nachher betrachtet. Das war etwas ganz Eigenständiges. Fluxus war für mich zum Beispiel das Konzert in der Akademie in Düsseldorf ’62, in Amsterdam ’63, die Aufführung in Aachen 1964. Ich kann das nur als kunstinteressierter Laie betrachten oder als Zeitzeuge.
Ich habe Paik als sehr eigenständig erfahren, er hat viele Strömungen in der bildenden Kunst und Musik jener Zeit in seiner Schau zusammengeführt und vieles vorweggenommen. Zudem hat mich an Paik auch die Verbindung zu Buddhismus und Zen interessiert. Damit hatte ich mich schon früh beschäftigt. Dieser Aspekt, den Paik in seine Kunst eingebracht hat, und seine Art zu leben, das hat mich interessiert. Insofern ein ganz anderer Hintergrund als der, den ich bei Beuys erlebt habe.
In dem Bezug gab es bei einigen Teilnehmern der Ausstellung die Meinung: „Was will Beuys hier?!“ Ich kann mir vorstellen, dass Paiks Ansatz für Beuys ganz wichtig gewesen sein kann.
Paik hat damals in Wuppertal mit uns nicht über Fluxus gesprochen, das erfuhr ich dann von Maciunas. Ich erinnere mich an ein angeregtes Gespräch zwischen Beuys und Maciunas in der Küche bei den abendlichen Treffen – die haben sich sehr gut unterhalten.

Anmerkung:
1 Will Baltzer, Alfons W. Biermann (Hg.), Treffpunkt Parnass Wuppertal 1949–1965, Ausstellungskatalog, Wuppertal, Köln, Bonn 1980, S. 209.